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Verfassungsrechtlicher Persönlichkeitsschutz[1]

Philip Kunig[2]

Alles Recht dient wenigstens mittelbar dem Schutz von Persönlichkeiten.Denn das Recht soll Rahmenbedingungen schaffen,unter denen Menschen existieren und sich entwickeln können.Sogar das Verfassungsrecht in seinen staatsorganisations-bezogenen Teilen dient letztlich mittelbar,so sehen wir es heute,einzelnen Menschen,denn der Staat ist kein Selbstzweck.In diesem Beitrag geht es indessen allein um Grundrechte.Sie alle zielen unmittelbar auf den Schutz der Persönlichkeit,garantieren Freiheit und Gleichheit.Im deutschen Grundgesetz kommen die Begriffe Persönlichkeit und Person ausdrücklich vor.Doch meinen wir hier mit dem verfassungsrechtlichen Persönlichkeitsschutz einen anderen Ausschnitt aus dem groen Bereich grundrechtlicher Schutztatbestnde.Wir meinen nicht die Freiheit der Person als körperliche Bewegungsfreiheit und auch nicht das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit,mit dem es in der grundgesetzlichen Ordnung in der Gestalt,welche ihr jahrzehntelange Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verliehen hat,eine besondere Bewandnis hat.

Art.2 I GG lautet:“Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit,soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmige Ordnung oder das Sittengesetz verstöt”.

Wenn Art.2 I GG damit das Recht auf die freie Entfaltung der Persönlichkeit verbürgt,so wird dies als allgemeine Handlungsfreiheit verstanden,als Grund-rechtsschutz für jedes Tun oder Unterlassen,gleich welcher Art,welchen Zusammenhangs oder welcher Wertigkeit[3].Art.2 I GG ist im Verhltnis zu den spe-zielleren Grundrechten(und das sind alle anderen) ein Auffanggrundrecht.Es schliet Lücken.Es bewirkt eine grundrechtliche Abwehrmöglichkeit für jede individuell identifizierbare staatliche Belastung.Es stellt sich damit im Ergebnis als ein Individualrecht auf Einforderung des Grundsatzes der Verhltnismigkeit dar[4].

Gegenstand der nachfolgenden Ausführungen ist aber nicht diese allgemeine Handlungsfreiheit,sondern ein ihr gegenüber spezielleres Grundrecht,das sog.allgemeine Persönlichkeitsrecht.Dieses Recht kommt im Text des Grundgesetzes nicht ausdrücklich vor.Es ist durch die Rechtsprechung entwickelt worden und wird heute allgemeiner Ansicht nach aus Art.2 I GG,der erwhnten allgemeinen Handlungsfreiheit,in Verbindung mit Art.1 I 1 GG hergeleitet,welcher lautet:“Die Würde des Menschen ist unantastbar”.

Wie kam es zu dieser Herleitung?Zwei Aspekte sind dafür zu unterscheiden,nmlich derjenige der grundrechtsdogmatischen Konstruktion und derjenige einer zivilrechtlichen Vorgeschichte.

Dogmatisch kam es zur Abstützung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts auf die beiden genannten Vorschriften aufgrund folgender Erkenntnis.Wird Art.2 I GG nicht nur weit,sondern sogar-tatbestandlich-grenzenlos verstanden,so hat dies gleichsam natürlich zur Konsequenz,dass dieser Schutztatbestand vielfltigen Beschrnkungen unterliegen muss.Die allgemeine Handlungsfreiheit ist ein-schrnkbar durchjedes Gesetz-gleich welcher Regelungsstufe-,das mit den Anforderungen der Verfassung imÜbrigen vereinbar ist,also insbesondere allen formellen Anforderungen an die Rechtsetzung genügt und im Übrigen rechtsstaatliche Anforderungen wahrt,wie namentlich diejenigen der Bestimmtheit und der Verhltnis-migkeit[5].Diese Intensitt der Beschrnkbarkeit wird solchen Schutzinteressen des Individuums nicht gerecht,die auerhalb der Reichweite spezieller Freiheitsgrundrechte liegen,aber den Kern menschlicher Individualitt betreffen,wie die Ehre des Einzelnen,sein Schutz vor Herabsetzung und Verunglimpfung in deröffentlichkeit,seine Intimitt mit anderen Menschen.Unterstellt man diese Bereiche allein Art.2 I GG,so tun sich im Ergebnis Schutzlücken auf.Wollte man diese Bereiche andererseits-allein-Art.1 I 1 GG zuordnen,so schlüge die weit reichende Beschrnkbarkeit um in ein Verbot der Beschrnkung.Denn anders als alle anderen Grundrechte gilt die Menschenwürdegarantie als unbeschrnkbar.Sie ist keinerlei Abwgung zugnglich,jedenfalls richtiger und bisher überwiegender Meinung nach[6].

Deshalb wird ein mittlerer Weg gegangen:Die beiden genannten Grundrechte verbinden sich zu einem selbstndigen,so gesehen:neuen Grundrecht unter der Bezeichnung allgemeines Persönlichkeitsrecht.Seine Stützung(auch)auf Art.1 I verschafft ihm einen strkeren Schutz als ihn allein Art.2 I zu bieten vermöchte.Seine gleichermaen erfolgende Zuordnung zu Art.2 I verleiht ihm die Beschrnk-barkeit,die Art.1 I GG nicht duldet.

Soweit die grundrechtsdogmatische Konstruktion.Als solche ist sie eine Schöpfung der Verfassungsrechtswissenschaft unter Auswertung verfassungsgericht-licher Judikatur.Diese indessen entwickelte sich punktuell in Aufnahme zivilge-richtlicher Rechtsprechung.Hier liegen die eigentlichen Wurzeln des allgemeinen Persönlichkeitsrechts.

Das kann hier nicht im Einzelnen nachgezeichnet werden[7].Die Vorstellung eines im Zivilrecht beachtlichen allgemeinen Persönlichkeitsrechts bildete sich vor allem im Zusammenhang mit Unterlassens-und Widerrufsansprüchen heraus,ferner mit Forderungen nach Schadenersatz.Von aktuellen Problemen des zivilrechtlichen Persönlichkeitsrechtsschutzes wird in der zivilrechtswissenschafltichen Abteilung unserer Tagung noch die Rede sein.

Das Bundesverfassungsgericht,der Motor und Förderer einer Erschlieung neuer und auch ungeschriebener Grundrechtsgehalte im deutschen verfassungs-rechtlichen System,hat sich grundstzlich zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht geuert in einer Entscheidung aus dem Jahre 1973,der sog.Soraya-Entscheidung,die frühere Kaiserin des Irans,damals:Persien,betreffend[8].Über Frau Soraya war in einer Zeitung ein erfundenes Interview veröffentlicht worden.Der Bundesge-richtshof hatte ihr in diesem Zusammenhang einen Schadensersatzanspruch zuerkannt.Auf die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde des Verlegers der Zeitung gelangte das Bundesverfassungsgericht zu dem Ergebnis,die Rechtsprechung der Zivilgerichte,wonach bei schweren Verletzungen des allgemeinen Persön-lichkeitsrechts Ersatz in Geld auch für immaterielle Schden beansprucht werden kann,sei mit dem Grundgesetz vereinbar.In diesem Zusammenhang betonte das Bundesverfassungsgericht,aus den beiden Grundrechten in Art.1 I und Art.2 I GG ergebe sich ein“Schutzauftrag”im Sinne eines allgemeinen Persönlichkeits-rechts[9].Das ist deshalb bemerkenswert,weil die grundrechtsdogmatische Funktion einer“Schutzpflicht”-hinzutretend zur herkömmlichen Abwehrfunktion der Grundrechte-zu jener Zeit noch nicht in einem Ausmaerkannt oder gar allgegen-wrtig war wie heute[10].Nach aktuellem Stand nmlich prgt der Gedanke der Schutzverantwortung des Staates-in allen seinen Gewalten,also einschlielich der richterlichen Gewalt-grundstzlich die Einordnung des Verstndnisses verfassungsrechtlicher Einwirkung auf das Zivilrecht[11].Das zivilrechtliche Persönlich-keitsrecht ist,so gesehen,der Ausdruck der sich aus seinem verfassungsrechtlichen Pendant ergebenden Schutzverpflichtung des Staates.So handhabt es auch die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs[12],was bemerkenswert ist,denn imÜbrigen bestehen zwischen der Verfassungsgerichtsbarkeit und der ordentlichen Gerichtsbarkeit nicht selten Irritationen hinsichtlich des Verhltnisses von Zivilrecht und Verfassungsrecht,insbesondere im Blick auf den Kontrollanspruch des Bundesverfassungsgerichts auch gegenüber der Zivilgerichtsbarkeit.Denn das Bundesverfassungsgericht darf und will keine zivilrechtliche Revisionsinstanz sein,überschreitet aber gelegentlich die diesbezüglichen-unklaren-Grenzlinien[13].

Das verfassungsrechtliche allgemeine Persönlichkeitsrecht,kasuistisch ent-standen,bedarf der Systematisierung nach Fallgruppen.Es geht jeweils um den Erhalt und den Schutz einer privaten Sphre,sei es als Selbstzweck oder aber in Verbindung mit dem Schutz des sozialen Geltungsanspruchs des Einzelnen in deröffentlichkeit.Den Ausgangspunkt bildet die private Sphre als Handlungssphre,also das Recht,eine Sphre der Intimitt zu begründen und sie dem Einblick und Zugriff anderer zu entziehen.In der Literatur ist von der"Selbstfindung im Alleinsein und in enger Beziehung zu ausgewhlten Vertrauten"die Rede[14].Dies ist ein Anliegen,das partiell auch von anderen Grundrechten thematisiert wird,etwa der Unverletzlichkeit der Wohnung,dem Schutz der Kommunikation,durchaus aber auch der Religionsfreiheit im Sinne eines Schutzes vor der Offenbarung der weltanschaulichen Überzeugungen.

Der Zusammenhang zwischen solchen Einzelgrundrechten und dem-ihnen gegenüber weitergehenden-Schutz durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht verdeutlicht das Beispiel des Strafgefangenen:Die inhaltliche Kontrolle von einem Strafgefangenen geschriebener Briefe an die Auenwelt ist am Briefgeheimnis des Art.10 I GG zu messen;dass er indessen überhaupt Briefe erhalten darf,gewhrleistet ihm das allgemeine Persönlichkeitsrecht.

Die private Sphre unterliegt also im grundrechtlicher Absicherung der eigenen Ausgestaltung durch jeden Grundrechtsberechtigten individuell,etwa im Geschlechtsleben,hinsichtlich des Rechts auf den Personenstand,der unter Umstnden gewechselt werden kann(Stichwort Transsexualitt),des Rechts sich gegen eine Elternschaft zu entscheiden oder des Rechts,sich Gefahren und Risiken auszusetzen,die andere nicht eingehen wollen.

Davon zu unterscheiden ist der Schutz der Darstellung von Personen in deröffentlichkeit,zunchst etwa Akten betreffend,die Rückschlüsse auf die private Sphre ermöglichen,wie Patientenakten,Unterlagen,die bei Versicherungen liegen oder auch Steuerdaten.Hier wirkt sich das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch auf dritte Personen aus,nmlich solche,denen im Rahmen eines Vertrauensver-hltnisses der Privatsphre zugehörige Informationen übermittelt worden sind,wieoder Rechtsanwlten.Das zwischen dem Arzt und dem Patienten begründete Vertrauensverhltnis wird verletzt,wenn der Staat versucht,durch den Zugriff auf den Arzt Informationen über den Patienten zu erlangen,auch im Falle des Einverstndnisses auf Seiten des Arztes .

In diesen Zusammenhang gehört auch dasuere,physische Bild des Einzelnen wie auch das Bild im übertragenen Sinne,das man sich von ihm durch Kenntnisnahme seinermachen kann.Das Recht“am eigenen Bild”und das Recht“am eigenen Wort”korrespondieren einander.Soweit es allerdings um die Missdeutung“des Wortes”geht,kommt auch die Meinungsfreiheit des Art.5 I GG als grundrechtliche Schutzgrundlage in Betracht[15].Konsequenz der Rechte am eigenen Bild und am eigenen Wort ist das Recht auf Gegendarstellung,das ebenfalls durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht abgesichert ist und das Presse-und Medienrecht in seiner einfachgesetzlichen Ausgestaltung vorprgt[16]

Diese Schutzgehalte können auch in einen Zusammenhang mit der Vorstellung vom Schutz persönlicher Ehre gebracht werden-ein Begriff,den das Grundgesetz in einem anderen Zusammenhang verwendet,nmlich als Schranke(also nicht:als Grundrechtstatbestand)für die Meinungsfreiheit,die Informationsfreiheit und die Medienfreiheiten(Art.5 II GG).Hier gert das Persönlichkeitsrecht oft in ein Spannungsverhltnis mit den genannten Kommunikationsgrundrechten,um dessen Austarierung das Bundesverfassungsgericht,aber auch die Zivilgerichtsbarkeit,sich in verschiedenen Konstellationen bemühen musste.Insbesondere das Verhltnis von Pressefreiheit und Persönlichkeitsschutz unterliegt dabei vielfach unterschiedlichen Wertungen,geradeauch im Vergleich des in Deutschland für richtig gehaltenen mit den Sichtweisen in anderen europischen Staaten.Deshalb ist diese Frage,speziell im Blick auf die Pressefreiheit,zum Konfliktfeld zwischen dem deutschen Bundesverfassungsgericht und dem Europischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straburg geworden[17].

Bemerkenswert ist,dass das-ja ungeschriebene,oder jedenfalls nur partiell geschriebene-“Grundrecht”auf Persönlichkeitsschutz ungeachtet seiner fehlenden Schriftlichkeit selbst eine Quelle für weitere grundrechtliche Verselbstndigungen geworden ist.Das gilt zum einen für die Annahme eines“Grundrechts auf Resozialisierung”Strafgefangener,welches das Bundesverfassungsgericht im Sinne einer Chance für jeden verurteilten Straftter verstanden hat,sich nach Verbüung einer Strafe wieder in die Gemeinschaft einzuordnen-mit Konsequenzen nicht nur für die Bemessung von Strafen,sondern auch für die Ausgestaltung des Strafvollzuges[18].Das wohl bekannteste Beispiel in diesem Zusammenhang bietet das sog.Grundrecht auf“informationelle Selbstbestimmung”[19].

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hat sich terminologisch verselbstndigt seit dem Volkszhlungsurteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1983[20].In dieser Entscheidung hat das Gericht die damals durch tech-nologische Entwicklungen neu aufgekommene und zur Zeit der Verfassunggebung unbekannte Problematik des Datenschutzes grundrechtlich gewürdigt und dabei ein Selbstbestimmungsrecht“für personenbezogene Daten”postuliert.Das ist seinerzeit vielfach als einÜbergriff in die Sphre der verfassungsndernden Gewalt kritisiert worden,mit der Anmahnung also,“neue”Grundrechte könnten nur in dem formelle und materielle Hürden aufweisenden Verfahren der(textlichen)Verfassung-snderung eingeführt werden[21].Der Vorhalt vor“Übergriffen”begleitet das deutsche Bundesverfassungsgericht seit seiner Gründung,meist gemünzt auf sein hier schon angesprochenes Verhltnis zur Fachgerichtsbarkeit,oft auch auf sein Verhltnis zur Legislative,hier also in ihrer Ausprgung als verfassungsgebende Gewalt.

So berechtigt solche Grundsatzkritik im Einzelfall sein kann,im Falle des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung geht sie fehl.Denn das Bundesverfassungsgericht hat in Wahrheit nicht ein neues und weiteres Grundrecht kreiert,sondern eine neue Problematik in das Licht des schon zuvor existenten allgemeinen Persönlichkeitsrechts gestellt und dieses damit zur Kontrolle zuvor ungekannter Sachverhalte fortentwickelt.Die damit verbundene Grundsatzfrage ist eingebettet in das Spannungsverhltnis von“Stabilitt und Dynamik”bei der Verfassungsentwicklung,wie sie vielfach thematisiert worden ist[22].

Die im Volkszhlungsurteil entwickelten Grundstze liegen gewissermaen quer zu zuvor anerkannten Ausprgungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts,namentlich betreffend den Schutz des eigenen Bildes und des Wortes.Es wurden hier Anforderungen an die Zielverfolgung und Zweckbindung und das Verfahren staatlicher Datenerhebung entwickelt,die in der Folgezeit in die Datenschutzgesetzgebung von Bund und Lndern sowie die Polizeirechtsgesetzgebung der Lnder,aber auch vielfltige bundesrechtliche Regelungen im Zuge der Sicherheitsge-whrleistung eingegangen sind.Die damitverbundenenWeichenstellungensindbisheutemagebendauchfürdie Ausgestaltung gesetzlicher Vorkehrungen im Zuge der sich vor allem seit 2001 neuartig darstellenden staatlichen Terrorismusabwehr.Das Bundesverfassungsgericht hatte auch in diesem Zusammenhang mehrfach Gelegenheit das Verhltnis von Freiheitsgewhr und Sicherheitsbemühung auszutarieren.Es hlt,im politischen Raum nicht selten kritisiert,grundstzlich an dem Bemühen fest,die innere(und mit ihr angesichts heutiger Gegebenheiten untrennbar verbunden:uere)Sicherheitspolitik strikt im Sinne des Grundsatzes der Verhlt-nismigkeit zu begrenzen.Das begrenzt insbesondere die Befugnis des Staates,gewissermaen“auf Vorrat”Datenerhebung zu betreiben.Das Stichwort der Risikovorsorge steht für die schwierig zu bestimmende Grenzlinie zwischen Gefahrenabwehr und Vorbeugung.Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu in seiner Entscheidung zur Rasterfahndung vom April 2006[23]im Sinne der Unterscheidung von allgemeinen Bedrohungslagen und konkreter Gefahrenlage Stellung bezogen und-im Jahre 2008-im Zusammenhang mit der automatisierten Erfassung von Kraftfahrzeugkennzeichen ausgesprochen,dass diese nicht“anlasslos”erfolgen dürfe[24].

Hiermit ist der Aspekt der Beschrnkbarkeit des allgemeinen Persönlichkeit-srechts angesprochen.Legt man dieses Grundrecht auf die Folie der allgemeinen Grundrechtsdogmatik,so gehörte das,was bisher angesprochen wurde,(zunchst)zur Geltungsbegründung und(sodann)zur Reichweite des Grundrechtstatbe-standes.Hinsichtlich des personalen Schutzbereichs als eines weiteren Elements einer Grundrechtsdogmatik lsst sich sagen:Das allgemeine Persönlichkeitsrecht differenziert nicht nach Staatsangehörigkeit oder auch Lebensalter.Es ist ein Menschenrecht,das übrigens-erneut im Zivilrecht-sogar über den Tod des Menschen hinaus Wirkungen entfalten kann[25].Seine Schutzgehalte können auch juristischen Personen,namentlich wirtschaftlich ttigen Unternehmungen zugute kommen[26],wobei aber Unsicherheiten bestehen[27].Das Bundesverfassungsgericht hat den Schutz des gesprochenen Wortes auch auf juristische Personen privaten Rechts erstreckt[28].

Ist unter Berücksichtigung dieser Elemente und der daraus sich ergebenden Prüfungsfolge ein Grundrechtseingriff identifiziert,geht es um die Reichweite der Beschrnkbarkeit des Grundrechts,bzw.wie in Deutschland überwiegend gesagt wird:Um die Rechtfertigung des Eingriffs.Hierfür ist gemder Geltungsbe-gründung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts erneut auf beide seiner Quellen,nmlich den Würdeschutz des Art.1 I GG und zugleich die allgemeine Handlungsfreiheit des Art.2 I GG zurückzugreifen.In der Rechtsprechung werden in Konkretisierung dieser Vorgaben differenzierende Mastbe verwendet.hnlich der zur Beschrnkbarkeit der Berufswahlfreiheit(Art.12 I GG)entwickelten abgestuften Beschrnkungskonzepte ist mitunter im Blick auf das allgemeine Persönlichkeits-rechts eine Sphrentheorie,eine Art gleitender Skala postuliert worden,in Unter-scheidungeinerkategorischgeschütztenIntimsphreundeinereherzugnglichen Sozialsphre als Eckpunkten,zwischen denen weitere Sphren relativierend eingeordnet werden[29].Gerade das Volkszhlungsurteil hat gezeigt,dass solche Anknüpfungen nicht immer sachgerecht sind,denn eine Information,ein DatumübereinIndividuumkannfürsichgenommenbelanglosseinunddennoch in seiner Verknüpfung mit anderen Daten höchst schützenswert,weil sich daraus ein persönlichkeitsbezogenes Gesamtbild ergibt.So bleibt auch in diesem Zusammenhang nur der Grundsatz der Verhltnismigkeit als Mastab,der es aber ange-sichts seiner Flexibilitt insbesondere hinsichtlich des Merkmals der“Zumutbarkeit”gestattet,bei der Abwgung von Gütern und Interessen einer etwaigen Nhe zum Menschenwürdeschutz angemessen Rechnung zu tragen,dann im Sinne einer Erhöhung der Rechtfertigungsanforderungen für diesbezügliche Beeintrchtigungen der Persönlichkeit.

Eine Schlussbemerkung.Die Herleitung und Entfaltung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist eine bedeutende Leistung der rechtsprechenden Gewalt gewesen.Sie markiert einen Eckpfeiler des rechtsstaatlichen Grundrechtsniveaus.Seine Bewahrung und Bewhrung auch im drohenden Sog der Relativierung von Freiheit durch den Bedarf nach Sicherheit vor Bedrohung durch externe Krfte und ihre internen Unterstützer steht nun an.Dieser Sicherheitsbedarf geht mit staat-lichem Informationshunger einher.Die Flexibilitt des Persönlichkeitsschutzes ist dabei Strke und Schwche zugleich.Wie so oft gilt auch hier:Entscheidend ist,wer entscheidet.Deshalb wirdnachLagederDingediekünftigeWirkkraftdesallgemeinen PersönlichkeitsrechtsalseinesAbwehrrechtsgegenüberdemStaatin allererster Linie von dem Bundesverfassungsgericht bemessen.Gelingt es dem Staat,besser:den Staaten in ihrem gemeinschaftlichen Zusammenwirken sowie den Zivilgesellschaften nicht,die Intensivierung von Bedrohungslagen zu verhüten,so könnte freilich auch das Bundesverfassungsgericht dereinst auf verlorenem Posten stehen.

Die Entwicklung einer anderen Bedrohungslage für die Schutzgüter des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hngt weniger vom Bundesverfassungsgericht ab,sondern vom Gesetzgeber.Gemeint ist der Zugriff Privater auf Daten des Einzelnen.Auch hier hat die technologische Entwicklung Bedingungen geschaffen,die zur Zeit der Verfassungsgebung undenkbar waren.

Im August 2008 wurde in Deutschland ein Datenschutzskandal bekannt.Ein Call Center hat auf Daten von 30 Millionen Kunden der Deutschen Telekom zugegriffen.Kundendaten von Wettbüros sind verkauft worden.hnliches ist in den USA mit den Datenstzen groer Warenhausketten passiert.Hier geht es einerseits um Wirtschaftskriminalitt,aber doch um weit mehr:Es kann nicht nur Geld ge-stohlen werden,sondern es können massenhaft Persönlichkeitsprofile erstellt werden.Die Persönlichkeitsrechtsbeeintrchtigung durch Datenzugriff ermöglicht dann Verletzungen auch der Eigentumsordnung.

Die Reaktionen in der politischenöffentlichkeit auf die genannten Vorflle waren typisch:Es wurden neue Gesetze und höhere Strafmöglichkeiten gefordert.Andere forderten die Einfügung eines Grundrechts auf Datenschutz in die Ver-fassung.Das überzeugt wenig,das dargestellte allgemeine Persönlichkeitsrecht reicht sicher aus.Wir brauchen keine symbolische Verfassungsgebung.

Es zeigt sich aber:Die klassische Unterscheidung zwischen demöffentlichen,dem staatlichen,behördlichen Bereich einerseits und den Gefhrdungen durch Private andererseits ist hinfllig.Gefordert werden deshalb zurecht die gesetzliche Strkung des privaten Datenschutzes in Unternehmen,genauere Festlegungen für die Zweckbindung bei der Datenverwendung sowie-vor allem-die Frage der Notwendigkeit einer ausdrücklichen individuellen Einwilligung des Betroffenen für die Weitergabe von Daten,die er in einem bestimmten Zusammenhang offenbart hat[30].

Die Verfassung enthlt für solche gesetzlichen Manahmen kein festes Programm.Sie nimmt aber den Staat in eine Schutzverantwortung,deren Realisierung im gewaltengeteilten System Vorrang gesetzgeberische Aufgabe,nicht richterliche Aufgabe ist.Das Verfassungsgericht kann in diesem Zusammenhang lediglich Forderungen aufstellen,wenn die Gesetzgeber unttig bleiben.Es kann reparieren und inspirieren.Alles andere ist Aufgabe von Politik und Gesetzgebung.

[1]Eine im Wesentlichen übereinstimmende Version dieses Beitrags ist erschienen in:Kunig/Nagata,Persönlichkeitsschutz und Eigentumsfreiheit in Japan und Deutschland,2009,95 ff.

[2]Freie Universitt Berlin.

[3]Hierzu und zum Folgenden Ph.Kunig,in:v.Münch/Kunig,Grundgesetzkommentar,Bd.1,5.Aufl Art.2 Rn.12 ff.,2000.

[4]S.Ph.Kunig:Das Verhltnismigkeitsprinzip im deutschen Recht,in:Kunig/Nagata,Deutschland und Japan im rechtswissenschaftlichen Dialog,169 ff,2006.

[5]S.Kunig,aaO,Grundgesetzkommentar,Rn.22 ff.

[6]Ph.Kunig:Der verfassungsrechtliche Schutz der Menschenwürde,in:Comp.Law(Nihon Univ.,Tokyo),vol.24149 ff,2007.

[7]Vgl.z.B.BGHZ 13,334 ff.und 39,124 ff.;H.Ehmann:Zur Struktur des allgemeinen Persönlichkeitsrechts,JuS 1997,196 ff.

[8] BVerfGE 34,269 ff.

[9] BVerfG,aaO.,282.

[10] Grundlegend BVerfGE 39,1,41.

[11] S.beispielhaft BVerfGE 89,214 ff.

[12] S.BGHZ 128,1,15.

[13]S.dazu Ph.Kunig:Verfassungsrecht und einfaches Recht-Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit,in:VVDStRL 61,34 ff,2001.

[14]S.H.D.Jarass,in:Jarass/Pieroth,GG,9.Aufl Art.2 Rn.47,2007.

[15] BVerfG,NJW 1991,91,94.

[16] Vgl.dazu BVerfGE 63,131,142 f.

[17]S.dazu auch Ph.Kunig:Die Medien und das Persönlichkeitsrecht-einige Gedanken aus europischer Veranlassung,in:Jacobs/Papier/Schuster,Festschrift für P.Raue,191 ff,2006.

[18] BVerfGE 35,202,235 f.

[19]Dazu Ph.Kunig:Der Grundsatz informationeller Selbstbestimmung,Jura 1993,595 ff.

[20] BVerfGE 65,1 ff.

[21]S.beispielhaft K.Diederichsen:Die Selbstbehauptung des Privatrechts gegenüber dem Grundgesetz,Jura 1997,57 ff.,zum Volkszhlungsurteil(“ureigene Erfindung eines BVerfGSenats”)auf S.59.

[22]Grundlegend B.-O.Bryde:Verfassungsentwicklung,1982.

[23] BVerfG,NJW 2006,1939 ff.

[24] BVerfGE,121,1 ff.

[25] Vgl.beispielhaft BGHZ 50,133,136.

[26] Vgl.BGHZ 98,94,97 f.

[27]Vgl.Jarass,aaO:GG,Rn.52.

[28] BverfGE 106,28,42.

[29]Hierzu und zum Folgenden Kunig,aaO:Grundgesetzkommentar,Rn.41.

[30] Vgl.dazu Bull,ZRP 2008,233 ff.